Die Tochter unserer Mandanten wurde im Jahr 2020 18 Jahre alt und erfüllte damit zunächst die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld nicht mehr. Ein Ausbildungsplatz stand nicht zur Verfügung, es zeichnete sich aber ab, dass ein solcher sich in absehbarer Zukunft auftun würde. Die Kindergeldkasse stellte jedenfalls die Zahlung von Kindergeld ein und die Eltern verzichteten auf die Stellung eines neuen Kindergeldantrags. Inzwischen befindet sich die Tochter im Studium und erfüllt die Voraussetzungen für den Kindergeldbezug. Wegen des Berücksichtigungsgrunds „Warten auf einen Ausbildungsplatz“ hätten die Voraussetzungen aber auch während des ganzen Jahres 2020 vorgelegen (§ 32 Abs. 4 Nr. 2 c) EStG). Inzwischen haben die Eltern auch für das Jahr 2020 nachträglich einen Kindergeldantrag gestellt. Wegen der verspäteten Antragstellung konnte die Kindergeldkasse aufgrund § 70 EStG aber nur rückwirkend für die letzten sechs Monate vor Antragstellung den Kindergeldbezug wieder aufnehmen. In der Einkommensteuererklärung 2020 wurde die Gewährung des Kinderfreibetrags beantragt, da die Günstigerprüfung dies erforderte. Der Kinderfreibetrag wurde vom Finanzamt auch gewährt, doch wurde gleichzeitig die volle „zustehende“ Kindergeldsumme wieder gegengerechnet, obwohl kein Kindergeld für 2020 zur Auszahlung gekommen war. Unserer Ansicht nach liegt hier eine Nichtbeachtung von § 31 Satz 5 EStG vor, was das Finanzamt offenbar nicht so sieht. Trifft die Sichtweise des Finanzamts zu?