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§ 16 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG,Doppeloption Grundstücksverkauf

Wir beraten die alleinige Eigentümerin (keine Buchhaltung/JA/Steuererklärungen) einer gewerblich geprägten Immobilien GmbH & Co. KG, der wir freundschaftlich verbunden sind. Sie besitzt 100 % der Anteile an der KG wie auch an der Komplementär-GmbH. Buchhaltung/JA/Steuererklärungen werden von einem anderen Steuerberater erledigt. Die KG ist aus der Betriebsaufspaltungsproblematik heraus entstanden. Es gab eine produktive GmbH, an die ein Betriebsgrundstück vermietet wurde. Zur Vermeidung der ungewollten Aufdeckung stiller Reserven im Betriebsgrundstück wurde die GmbH & Co. KG gegründet. In deren Betriebsvermögen befand sich bis Oktober 2020 die 100%ige GmbH-Beteiligung, die im Jahr Oktober 2020 veräußert wurde. Seitdem hält die KG lediglich noch das mit einer Produktionshalle bebaute Betriebsgrundstück, welches unverändert an die GmbH verpachtet ist. Der Veräußerungserlös aus dem GmbH-Anteil ist derzeit in Aktien und aktienbasierten Anlagen im Betriebsvermögen der KG angelegt. Dieses Finanzvermögen wird in den nächsten Tagen vollständig entnommen. Darüber hinaus besitzt die KG ein weiteres unbebautes Reservegrundstück, welches an das an die GmbH verpachtete bebaute Betriebsgrundstück angrenzt. Im Zuge des Verkaufs der GmbH-Anteile im Oktober 2020 wurden eine Put- und eine Call-Option mit dem Käufer der GmbH-Anteile über den Erwerb des Betriebsgrundstücks geschlossen. Die Optionsvereinbarungen sehen vor, dass die KG im Januar 2022 die Betriebsimmobilie dem Käufer der GmbH-Anteile zu einem damals bereits festgelegten Preis und zu den Konditionen eines damals bereits entworfenen Kaufvertrags andienen darf. Der Käufer der GmbH-Anteile hat seinerseits das Recht, bei Nichtausübung der Option durch die KG im März 2022 die Immobilie zu dem festgelegten Preis erwerben zu können. Der Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Nutzen und Lasten wurde in dem Vertragswerk noch nicht festgelegt. Der Käufer besitzt nun neuerdings auch noch starkes Interesse an dem Hinzuerwerb des Reservegrundstücks, um weiter expandieren zu können. Die Put- und Call-Optionen erfassen den Erwerb dieses Reservegrundstücks nicht. Außerdem möchte der Käufer schnellstmöglich, also noch in diesem Jahr, auch das bebaute Betriebsgrundstück erwerben. Wir raten unserer Mandantin, der Alleininhaberin der GmbH & Co. KG, den Verkauf des bebauten Betriebsgrundstücks hinauszuzögern, mindestens jedoch mit dem Verkauf des Reservegrundstücks noch bis Juni 2022 zu warten, da sie in diesem Monat ihr 55. Lebensjahr vollendet. Meine Empfehlung besteht darin, jedenfalls den Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten des Reservegrundstücks nach Vollendung des 55. Lebensjahres zu vereinbaren. Selbst wenn das wirtschaftliche Eigentum am Betriebsgrundstück (stille Reserven ca. 2 Mio. €) vor Vollendung des 55. Lebensjahres übergeht, etwa noch im Jahr 2021, das Reservegrundstück (stille Reserven ca. 200.000 €) aber erst nach dem 55. Geburtstag unserer Mandantin, erblicke ich in den beiden Verkäufen eine zeitlich gestreckte Betriebsaufgabe, die die Bedingungen der §§ 16, 34 EStG erfüllt. Ich verweise hierzu auf das BMF-Schreiben vom 20.12.2015. Unter IV. letzter Satz kommt das BMF zu der Feststellung: „Vollendet der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr bei einer Betriebsaufgabe über mehrere Veranlagungszeiträume zwar vor Beendigung der Betriebsaufgabe, aber erst im zweiten Veranlagungsjahr, sind der Freibetrag und die Tarifermäßigung auch für den ersten Veranlagungszeitraum zu gewähren.“ Hierbei gehen wir davon aus, dass das Reservegrundstück, das derzeit noch nicht an die GmbH verpachtet ist, nach funktional-quantitativer Betrachtungsweise eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt (vgl. BFH v. 1.2.2006 – XI R 41/04, BFH/NV 2006, 1455; H/H/R, § 16 Rdnr. 121–127). Sehen Sie das ebenso? Müsste/sollte zur Zielerreichung der Sicherheit halber ggf. im Vorfeld der Veräußerung das Reservegrundstück bereits in den Pachtvertrag (ohne weitere Entgelterhöhung?) mit der GmbH einbezogen werden? Der Zeitpunkt der Betriebsaufgabe beginnt m.E. in Anlehnung an H/H/R, § 16, Rdnr. 530–534, mit der ersten Veräußerung einer wesentlichen Betriebsgrundlage, das wäre der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an dem bebauten Betriebsgrundstück, und endet mit dem Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an dem Reservegrundstück. Sehen Sie das ebenso? Der Steuerberater der KG sieht die Möglichkeit der Gewährung der Steuervergünstigung des § 34 EStG hingegen – bereits aus einem anderen Grunde – eher kritisch. Er befürchtet, dass die bestehenden Put- und Call-Optionen eine begünstigte Betriebsaufgabe beziehungsweise Be-triebsveräußerung ausschließen. Ich habe daraufhin noch einmal die Literatur, insbesondere die Kommentierung von Hermann/Heuer/Raupach zu § 16 EStG, zur Relevanz dieses Arguments durchforstet. Ich komme unverändert zu der Erkenntnis, dass das Bestehen der Put- und Call-Optionen, die im Januar beziehungsweise März 2022 ausübbar sind, eine begünstigte Betriebsaufgabe nicht ausschließen. In meiner Argumentation beziehe ich mich unter anderem auf das BFH-Urteil vom 17.2.1971 – I R 170/69. Hier heißt es unter II. der Urteilsgründe: „Maßgebend für die Frage nach der Entstehung eines Veräußerungsgewinns und nach der Überführung zurückbehaltener Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen ist der Zeitpunkt der Betriebsaufgabe. Für die Festlegung dieses Zeitpunktes sind die tatsächlichen Umstände des Falles, nicht der zeitliche Beginn von Verträgen entscheidend, die der Abwicklung der Betriebsaufgabe dienen.“ Ich schließe hieraus, dass es für die Frage des Vorliegens einer begünstigten Betriebsaufgabe unerheblich ist, wenn bereits vor Beginn der Betriebsaufgabe rein schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte über zu veräußernde wesentliche Betriebsgrundlagen geschlossen sind, der Zeit-punkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums also noch nicht einmal festgelegt ist. Der Abschluss der Put- und Call-Optionen zählt in meinen Augen allenfalls zu vertraglichen Vereinbarungen über die Betriebsaufgabe, die eher zu den so genannten Vorbereitungshandlungen ge-zählt werden und für die Frage der §§ 16, 34 EStG wohl unbedeutend sind. Ich beziehe mich hier wiederum auf HHR, § 16 Rdnr. 532. Dort liest man unter Bezugnahme auf das zitierte Urteil aus dem Jahr 1971: „Vorbereitungshandlungen lassen den Aufgabezeitraum noch nicht beginnen, denn die Tarifvergünstigung knüpft an die Massierung der tatsächlichen Gewinnrealisierungsvorgänge an (BFH v. 25.6.1970 – IV 350/64, BStBl. II 1970, 719). Vorbereitungshandlungen sind solche, die der Aufgabe vorausgehen, sie erleichtern oder die Bedingungen für sie schaffen sollen, zB Aufgabe- oder Auflösungsbeschluss, Eintragung in das Handelsregister, vertragliche Vereinbarungen über die Aufgabe (BFH v. 17.2.1971 – I R 170/69, BStBl. II 1971, 484).“ Wie sehen Sie die Rechtslage?
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