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Änderungsnormen,Neue Tatsachen,Falsche Änderungsnorm

Mein Mandant war von 2002 bis 2016 Geschäftsführer einer Start-up-GmbH. An dieser GmbH war er mit 0,9 % beteiligt. Hauptgesellschafter der GmbH war ein Investmentfonds, der ca. 90 % der Anteile hielt. Bei erfolgreichen Geschäftsverlauf bzw. -entwicklung sollte diese GmbH in eine neu zu gründende Aktiengesellschaft eingebracht werden, um sie dann weiterzuverkaufen. Im Jahr 2013 wurde diese Aktiengesellschaft gegründet. Mein Mandant erhielt Aktien, mit denen er zu 0,13 % am Grundkapital der AG beteiligt wurde. Circa 99 % der Aktionäre sind keine Angestellte bei der AG. Gleichzeitig erhielt mein Mandant einen Vorstandsposten bei dieser Aktiengesellschaft. Im Vorstandsdienstvertrag gibt es keinerlei Vereinbarungen zum angestrebten Verkauf. Vereinbarte Bonuszahlungen bezogen sich nur auf die normalen Geschäftsverlauf. In den Jahren 2010–2014 erwarb mein Mandant als Aktionär weitere Optionen für einen potentiellen Verkauf. Zum 31.12.2016 wurde dann die Aktiengesellschaft an eine andere Aktiengesellschaft verkauft. Mein Mandant hatte durch den Verkauf verschiedene Einkunftsquellen, die jetzt steuerlich bzgl. der Einordnung in Einkunftsquellen (§ 19 oder § 20 EStG) strittig sind. 1. Mein Mandant schloss mit dem Hauptinvestor im Jahr 2016 eine Vereinbarung (nicht mit dem Arbeitgeber), dass er bei dem Verkauf der Gesellschaft einen Exit-Bonus in Höhe von 3 Millionen € erhält. Mein Mandant musste sich seinerseits dazu verpflichten, den ausgehandelten Kaufpreis der Aktien zu akzeptieren und seine Anteile auf jeden Fall auch mit zu verkaufen. Der Hauptgesellschafter (Investmentfonds) wollte somit sichergestellt haben, dass alle Kleinaktionäre mit verkaufen (war Bedingung des Käufers), Zufluss des Geldes im Jahr 2017. 2. Mein Mandant verkaufte zum 31.12.2016 dann an den Käufer sowohl seine Aktien aus dem Jahr 2013 als auch seine Aktienoptionen auf weitere Anteile für 1 Millionen €, Zufluss des Geldes im Jahr 2017. 3. Alle Aktionäre erhielten mit dem Verkaufsvertrag ein Nachbesserungsangebot für den Fall, dass vereinbarte Meilensteine erreicht werden. Daraus erhielt mein Mandant im Jahr 2019 vom Käufer einmalig 500.000 €. Im Jahr 2019 wurde dann erstmals die Einkommensteuererklärung 2017 erstellt. Mein Mandant hat für 2017 4 Millionen € als Einkünfte aus Kapitalvermögen (25 % Kapitalertragsteuer) erklärt. Im Rahmen der Veranlagung für 2017 kamen vom Finanzamt Rückfragen bzgl. Klärung der Einkünfte. Aufgrund der Komplexität des Vorganges (z.B. Kaufvertrag über 1.000 Seiten) hat mein Mandant beim zuständigen Sachbearbeiter vorgesprochen und wollte persönlich im Finanzamt die Vorgänge erläutern. Dies wurde seitens des Finanzamts abgelehnt. Stattdessen erhielt mein Mandant ein Schreiben mit Fragen zu den Vorgängen. Dieses Schreiben haben wir mit Anlagen im Juli 2019 beantwortet. Daraufhin wurde der Mandant im September 2019 erstmalig für 2017 veranlagt. Das Finanzamt folgte unserer Erklärung und hat die Einnahmen als Einkünfte aus Kapitalvermögen veranlagt. Im Jahr 2020 wurden dann die Einkünfte aus dem Nachbesserungsangebot in Höhe von 500.000 € ebenfalls ohne Rückfragen seitens des Finanzamts als Kapitaleinkünfte für die Einkommensteuererklärung 2019 veranlagt. Am 28.12.2021 (drei Tage vor Fristablauf für die Einkommensteuer 2016) erhält mein Mandant geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2016, 2017 und 2019. Das Finanzamt korrigiert damit die Bescheide 2017 und 2019 mit den erklärten Kapitaleinkünften und ändert den Bescheid von 2016 nach § 175 AO in der Weise, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen von 4,5 Millionen € (aus den Jahren 2017 + 2019) jetzt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gem. § 19 EStG im Jahr 2016 darstellen sollen. Eine Begründung für die Anwendung der Korrekturvorschrift fehlt in diesem Änderungsbescheid. Daraufhin haben wir im ersten Schritt aufgrund des Begründungsmangels Einspruch gegen die Änderung der Bescheide eingelegt sowie Aussetzung der Vollziehung (Nachzahlung 1 Mio. €) beantragt. In einem ersten Antwortschreiben des Finanzamts auf den eingelegten Einspruch im März 2022 erhalten wir die erstmals die Information, dass der Bescheid von 2016 nicht nach § 175 AO, sondern nach § 173 AO zu ändern gewesen ist. Wir hatten seinerzeit für 2016 keinerlei Einkünfte erklärt, da der Zufluss der Einnahmen in den Jahren 2017 und 2019 lag. Unser Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann lt. Finanzamt derzeit trotz des Begründungsmangels im Bescheid noch nicht gewährt werden, sondern es wurde eine verzinsliche Stundung gewährt. Als Begründung für die Änderung wird jetzt im Jahr 2022 vorgetragen, dass auf Basis des Schreibens vom Juli 2019 (vor Erlass des Bescheids 2017) die Einordnung der Einkünfte aus den Jahren 2017 + 2019 zwingend im Jahr 2016 als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen seien, da mein Mandant damals als Vorstandsmitglied der verkauften AG tätig gewesen sei. Aus meiner Sicht kann das Finanzamt mit dem ihm vorliegenden Informationen diese Einordnung nicht vornehmen, da hier detaillierte Informationen dem Amt nicht vorliegen bzw. bis heute auch nicht nachgefragt wurden. Für meinen Mandant erscheint jetzt dieses ganze Vorgehen als reiner Willkürakt seitens der Finanzverwaltung. Er wollte damals im Jahr 2019 vor der Veranlagung ein Klärungsgespräch beim Finanzamt erhalten, um für sich Rechtssicherheit über die Besteuerung zu erhalten. Diese wurde abgelehnt, aber unserer Veranlagung von 2017 bzw. 2019 wurde ohne weitere Recherche bzw. Rückfragen auf Basis unserer Erläuterungen vom Schreiben aus dem Juli 2019 gefolgt. Aus dem Vorgenannten ergeben sich nun folgende Fragen: 1. Kann das Finanzamt mit Nennung der falschen Korrekturvorschrift (§ 175 AO anstatt § 173 AO) den Bescheid von 2016 fristgerecht korrigieren? 2. Greift hier überhaupt die Korrekturvorschrift nach § 173 AO, da der Steuerpflichtige vor Veranlagung von 2017 bereits die Tatsachen dem Finanzamt mittels unseres Schreibens bekannt gemacht hat bzw. eine persönliche Erklärung abgelehnt wurde? 3. Liegt hier ein Verstoß gegen § 91 Abs. 1 AO bzgl. einer Anhörungspflicht meines Mandanten vor und wenn ja, gibt es hier verfahrensrechtliche Punkte gegen die Änderung? 4. Verstößt die Anwendung im Jahr 2022 von § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ggf. den Grundsätzen von Treu und Glauben?
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