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Vorläufigkeit,Ungewissheit,Änderungsmöglichkeit

Zu dem nachstehenden Sachverhalt und unserer verfahrensrechtlichen Beurteilung bitten wir Sie um Ihre gutachterliche Stellungnahme: I. Sachverhalt 1. Erster Einkommensteuerbescheid 1999 vom 19.08.2005 unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO. 2. Im Rahmen der Überprüfung des Einkommensteuerbescheids 1999 wurde während der Gültigkeit des Vorbehaltsvermerks am 17.11.2006, also innerhalb der regulären Festsetzungsverjährung, der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO angebracht. Der Vorläufigkeitsvermerk bezog sich allgemein auf die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen der drei Grundstücke L-Str. 27 in F, I-Str. 67–71 in F und B-Weg 41 in D. Der Grund des nachträglich angebrachten Vorläufigkeitsvermerkes war offensichtlich die Übertragung der drei vorgenannten Grundstücke vom Ehemann auf die Ehefrau. Aufgrund der evtl. nicht wie unter fremden Dritten abgewickelten Grundstückskaufverträge wurde seitens der Finanzverwaltung in Frage gestellt, dass es sich hier, wie seitens der Steuerpflichtigen in der Einkommensteuererklärung angegeben, um entgeltliche Rechtsgeschäfte handelt. 3. Die im Jahr 1999 zusammen veranlagten Steuerpflichtigen bezogen im Jahr 1999 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von insgesamt zwölf vermieteten Immobilien. 4. Die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide der Jahre 2000–2002 sind unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO ergangen. Für den Einkommensteuerbescheid 2000 wurde hinsichtlich dieser drei vorgenannten Grundstücke mit Schreiben vom 17.11.2006 ebenfalls ein Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO angebracht. Die Einkommensteuerbescheide 2000–2002 wurden dann im Jahr 2007 nach § 164 II AO bzw. § 165 Abs. 2 Satz 1 AO geändert. Im Rahmen dieser drei Änderungsbescheide ging das Finanzamt hinsichtlich dieser drei Grundstücksübertragungen von einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft aus. Aus diesem Grunde wurden bei der Ehefrau jeweils die Abschreibungen des Rechtsvorgängers angesetzt und ein Schuldzinsenabzug für die zum Erwerb aufgenommenen Bankdarlehen wurden nicht zugelassen. Die im Jahr 2007 geänderten Einkommensteuerbescheide der Jahre 2000–2002 sind bestandskräftig. II. Rechtliche Problematik 1. Ist der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO im Einkommensteuerbescheid 1999 dem Grunde nach wirksam? Eine vorläufige Steuerfestsetzung ist unseres Erachtens nach dieser Vorschrift nur zulässig, soweit ungewiss ist, ob der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungsplicht knüpft; Zweifel bei der Auslegung des Steuergesetzes reichen nicht aus. Eine Steuerfestsetzung kann demgemäß nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO nur im Hinblick auf ungewisse Tatsachen, nicht im Hinblick auf die steuerrechtliche Beurteilung von Tatsachen für vorläufig erklärt werden. Außerdem ist nach § 165 Abs. 1 Satz 3 AO unbedingt erforderlich, dass der Umfang und der Grund der Vorläufigkeit im Steuerbescheid angegeben werden. Das bedeutet für die Reichweite eines Vorläufigkeitsvermerks, dass die Vorläufigkeit nur soweit reichen darf wie die Ungewissheit selbst. Da eine vorläufige Steuerfestsetzung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und nur insoweit möglich ist, als Ungewissheit besteht, ob und inwieweit die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuerschuld eingetreten sind, ist es erforderlich, dass im Bescheid angegeben ist, aus welchen Gründen vorläufig veranlagt wurde und wie weit sich die Vorläufigkeit erstreckt. Die Vorläufigkeit gemäß § 165 AO beschränkt sich somit notwendigerweise auf bestimmte Punkte. Mit der Benennung der zu beurteilenden Grundstücke hat die Finanzverwaltung hinsichtlich des Umfangs der Vorläufigkeit offenbar zutreffend gehandelt. Hinsichtlich der Benennung des Grundes der Vorläufigkeit waren die Sachverhalte der Verkäufe der genannten drei Grundstücke vom Ehemann an die Ehefrau der Finanzverwaltung vollständig bekannt. Deshalb gehen wir im vorliegenden Fall bei der nachträglichen Aufnahme des Vorläufigkeitsvermerks zum Einkommensteuerbescheid 1999 von einer nicht abgeschlossenen steuerlichen Beurteilung bereits bekannter Sachverhalte aus. Deshalb ist der Vorläufigkeitsvermerk unseres Erachtens dem Grunde nach unwirksam. 2. Durfte aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 AO der Einkommensteuerbescheid 1999 noch im Jahr 2015 geändert werden, oder war zu diesem Zeitpunkt der Vorläufigkeitsvermerk verjährt (unter der Annahme, dass keine Unwirksamkeit gemäß Tz. 1 gegeben ist)? Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 AO vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In diesem Zusammenhang bleibt eine rechtskräftige Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts zur Anwendung des § 165 AO in Verbindung mit § 171 Abs. 8 Satz 1 AO zu beachten (Urteil vom 27.11.2019, 9 K 505/18). Unabhängig von der materiell-rechtlichen Würdigung der vorliegenden Sachverhalte hat das Finanzamt mit der Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 zu lange gewartet, hier bis zum Jahr 2015. Die Veräußerung der drei angeführten Grundstücke vom Ehemann auf die Ehefrau war der Finanzverwaltung bereits bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärungen der Jahre 1999 bis 2002 bekannt geworden. Eine endgültige Sachverhaltsermittlung und steuerliche Würdigung ist daher auch den geänderten Steuerbescheiden der Jahre 2000 bis 2002 zu Grunde gelegt worden. Somit hätte die Finanzverwaltung den vorliegenden Sachverhalt auch für das vorangegangene und zu beurteilende Jahr 1999 weiter aufklären und steuerlich würdigen können. Dies allein reicht schon für den Beginn der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 8 Satz 1 AO (ein Jahr nach Wegfall der Ungewissheit) aus. Unseres Erachtens wird die Tatsache, dass die Finanzverwaltung den Sachverhalt für das Jahr 1999 „hätte aufklären können“, allein schon deshalb zu einem unbedingten „hätte aufklären müssen, weil dies das in der Abgabenordnung verankerte Rechtsschutzbedürfnis für die Steuerpflichtigen einfordert“. Basierend auf den vorstehenden Ausführungen gehen wir davon aus, dass spätesten mit Ablauf des Jahres 2008 der Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO im Steuerbescheid des Jahres 1999 für die dort angeführten Grundstücke verjährt war. Wir bitten um Erstellung eines Gutachtens zu den vorstehend unter II. aufgeworfenen Fragen. 
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