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Beendigung der USt-Organschaft wg. Wegfall der organisatorischen Eingliederung

Andrea Konrad-Wögler

Organisatorische Einglierderung, BMF Schreiben vom 07.03.2013 & BMF Schreiben vom 05.05.2014, BMF Schreiben vom 11.12.2013

Fragestellung

Welche Konsequenzen hat es, wenn die Voraussetzungen zur umsatzsteuerlichen Organschaft wegen Änderung der Rechtsprechung nicht mehr vorliegen und diese Erkenntnis erst verspätet gekommen ist.

Betriebsaufspaltung – umsatzsteuerliche Organschaft. Betriebsunternehmen GmbH, Vater hält Anteile zu 100%, Vater ist Geschäftsführer.

Besitzunternehmer: Vater-Einzelfirma.

Konkret liegt keine umsatzsteuerliche Organschaft wegen Wegfall der organisatorischen Eingliederung mehr vor. Der Einzelunternehmer der Besitzgesellschaft hatte seine jahrelang ausgeübte Geschäftsführertätigkeit bei der GmbH im Jahr 2000 aufgegeben. Die Geschäftsführertätigkeit wurde danach von seiner Tochter übernommen.

Gemäß der o.g. Rechtsprechung ist wahrscheinlich davon auszugehen, dass ab dem Zeitpunkt der o.g. Rechtsprechungsänderung [zumindest ab 01.01.2014] keine umsatzsteuerliche Organschaft mehr vorliegen dürfte

Wünschenswert wäre es im Rahmen der noch nicht abgeschlossenen Jahresabschlussarbeiten 2014 dem Finanzamt die „neuen“ Erkenntnisse zu schildern und ab 2014 dann wieder 2 getrennte Umsatzsteuerjahreserklärungen für Besitz und Betriebsunternehmen zu fertigen und einzureichen. Was spricht dagegen so zu verfahren?

Kurzgutachten

Durch das BMF v. 07.03.2013 (- IV D 2 –S 7105/11/10001 BStBl 2013 I S. 333) und das BMF v. 05.05.2014 (- IV D 2 - S 7105/11/10001IV D 2 - S 7105/13/10003 BStBl 2014 I S. 820) wurde u.a. Abschnitt 2.8. Abs. 7 und 9 UStAE zur organisatorischen Eingliederung geändert.

Abschnitt 2.8. Abs. 7 UStAE: „Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird (BFH-Urteil vom 28. 1. 1999, V R 32/98, BStBl 1999 II S. 258). Es kommt darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet (BFH-Urteile vom 5. 12. 2007, V R 26/06, BStBl 2008 II S. 451, und vom 3. 4. 2008, V R 76/05, BStBl 2008 II S. 905).(…)“

Abschnitt 2.8. Abs. 9 UStAE: „Neben dem Regelfall der personellen Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft kann sich die organisatorische Eingliederung aber auch daraus ergeben, dass Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind (vgl. BFH-Urteil vom 20. 8. 2009, V R 30/06, BStBl 2010 II S. 863). Die Berücksichtigung von Mitarbeitern des Organträgers bei der organisatorischen Eingliederung beruht auf der Annahme, dass ein Mitarbeiter des Organträgers dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit befolgen wird und er bei weisungswidrigem Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft uneingeschränkt abberufen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 7. 7. 2011, V R 53/10, BStBl 2013 II S. 218). Demgegenüber reicht es nicht aus, dass ein Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters nur Prokurist bei der vermeintlichen Organgesellschaft ist, während es sich beim einzigen Geschäftsführer der vermeintlichen Organgesellschaft um eine Person handelt, die weder Mitglied der Geschäftsführung noch Mitarbeiter des Mehrheitsgesellschafters ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. 10. 2010, V R 7/10, BStBl 2011 II S. 391).“

D.h. danach ist es für die organisatorische Eingliederung nicht ausreichend, dass die Muttergesellschaft lediglich sicherstellt, dass eine von ihrem Willen abweichende Willensbildung bei der Tochtergesellschaft nicht stattfindet. Vielmehr muss sie in der Lage sein, ihren Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen.[1]

Abschnitt 2.8 Abs. 9 UStAE enthält Aussagen zur organisatorischen Eingliederung in den Fällen, in denen leitende Mitarbeiter des Organträgers als Geschäftsführer der Organgesellschaft tätig sind. Die Regelungen gehen auf Rechtsprechung des BFH zurück, die auf der Annahme beruht, dass der leitende Mitarbeiter des Organträgers dessen Weisungen bei der Geschäftsführung der Organgesellschaft aufgrund eines zum Organträger bestehenden Anstellungsverhältnisses und einer sich hieraus ergebenden persönlichen Abhängigkeit befolgen wird und er bei weisungswidrigem Verhalten vom Organträger als Geschäftsführer der Organgesellschaft uneingeschränkt abberufen werden kann. Dieses Abhängigkeitsverhältnis besteht jedoch nicht nur bei leitenden, sondern bei allen Mitarbeitern des Organträgers. Die Urteile des BFH sind grundsätzlich weiter anzuwenden, jedoch wird künftig auf das Merkmal der Leitungsfunktion des Mitarbeiters verzichtet. Hierdurch werden zudem Abgrenzungsschwierigkeiten vermieden.[2]

Zwischenfazit:

Dadurch dass der Vater die Geschäftsführung aufgibt und an die Tochter abgibt, fehlt es (wie bereits angenommen) an der organisatorischen Eingliederung. Die Organschaft ist aufzulösen. 

Anwendungsbereich:

Geltungsbereich lt. BMF Schreiben vom 07.03.2013:

Mit Wirkung vom 1. Januar 2013 wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass geändert. Die Regelungen dieses Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Soweit die am vermeintlichen Organkreis beteiligten Unternehmer vor dem 1. Januar 2013 unter Berufung auf Abschnitt 2.8 Abs. 7 UStAE in der bis zu diesem Stichtag geltenden Fassung übereinstimmend von einer organisatorischen Eingliederung ausgegangen sind, wird es für vor dem 1. Januar 2014 ausgeführte Umsätze nicht beanstandet, wenn diese weiterhin unter Berufung auf Abschnitt 2.8 Abs. 7 UStAE in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung übereinstimmend eine organisatorische Eingliederung annehmen.

Geltungsbereich der Regelungen lt. BMF Schreibens vom 05.05.2014:

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem 1. Januar 2015 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn sich die am vermeintlichen Organkreis Beteiligten bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts übereinstimmend auf Abschnitt 2.8 Abs. 9 UStAE in der am 4. Mai 2014 geltenden Fassung berufen.

Zwischenfazit:

Da lt. Sachverhalt die Geschäftsführung des leitenden Mitarbeiters wegfällt, ist die Übergangsvorschrift des BMF Schreibens vom 07.03.2013 anzuwenden. Das bedeutet, dass grundsätzlich ab dem Kalenderjahr 2014 die neue Rechtsprechung, der neue Abschnitt 2.8. UStAE anzuwenden ist. Insofern wäre ab dem 01.01.2014 die Organschaft aufzulösen.

BMF v. 11.12.2013 - IV D 2 - S 7105/11/10001 BStBl 2013 I S. 1625

Das BMF hat mit Schreiben vom 11.12.2013 (- IV D 2 - S 7105/11/10001) die Übergangsfrist zur organisatorischen Eingliederung bei der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft verlängert.

Hierzu führt das BMF weiter aus: Mit dem Bezugsschreiben wurden die Verwaltungsanweisungen zur organisatorischen Eingliederung bei der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft in Abschnitt 2.8 UStAE neu gefasst. Die Umsetzung dieser Regelungen macht auch im außersteuerlichen Bereich Anpassungen notwendig, die in vielen Unternehmen einen erheblichen zeitlichen Bedarf in Anspruch nehmen. Aufgrund dieser besonderen Umstände wird die Übergangsregelung des Bezugsschreibens bis zum 1.1.2015 verlängert.

Die Übergangsregelung lautet nunmehr:

„Mit Wirkung vom 1. Januar 2013 wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass geändert. Die Regelungen dieses Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Soweit die am vermeintlichen Organkreis beteiligten Unternehmer vor dem 1. Januar 2013 unter Berufung auf Abschnitt 2.8 Abs. 7 UStAE in der bis zu diesem Stichtag geltenden Fassung übereinstimmend von einer organisatorischen Eingliederung ausgegangen sind, wird es für vor dem 1. Januar 2015 ausgeführte Umsätze nicht beanstandet, wenn diese weiterhin unter Berufung auf Abschnitt 2.8 Abs. 7 UStAE in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung übereinstimmend eine organisatorische Eingliederung annehmen.“[3]

Fazit:

Entsprechend dem BMF Schreiben vom 11.12.2013 wurde die Frist für die Anwendung der neuen Rechtsprechung in Abschnitt 2.8. UStAE hinsichtlich der organisatorischen Eingliederung auf den 01.01.2015 verlängert. Insofern ist nicht bereits lt. dem BMF Schreiben vom 07.03.2013 ab dem 01.01.2014 die neue Rechtsprechung, der neue Abschnitt 2.8 UStAE, anzuwenden.

Insofern spricht nichts dagegen, dass der Jahresabschluss für das Kalenderjahr 2014 wie bisher nach der alten Rechtsprechung vor dem BMF Schreiben vom 07.03.2013 abgeschlossen wird. Es wird nicht beanstandet, dass erst ab dem Kalenderjahr 2015, d.h. ab dem 01.01.2015,  die Organschaft aufgrund des neuen Abschnitts 2.8. UStAE aufgelöst wird.


[1] BMF v. 05.05.2014, Tz. II

[2] BMF v. 05.05.2014, Tz. III

[3] NWB, Online-Nachricht, Donnerstag, 12.12.2013 10:36 Uhr

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