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Private PKW-Nutzung trotz Untersagung

Andrea Konrad-Wögler

Dienstwagen, schriftliches Nutzungsverbot, vGA i.H.d. 1% Regelung

Fragestellung

Mandant ist an einer GmbH mit 10% beteiligt. Es wird ihm für seine Tätigkeit ein Mercedes für betriebliche Fahrten überlassen. Die private Nutzung ist ihm untersagt. Er wohnt direkt neben dem Betrieb und besitzt selber einen gleichwertigen PKW, seine Frau besitzt keinen PKW. Der Prüfer hat mit Recht das Fahrtenbuch nicht anerkannt und möchte die 1%-Methode anwenden und diese als VGA zurechnen.

Kurzgutachten

1) Verdeckte Gewinnausschüttung:

OFD Frankfurt/M. v. 27.01.2015 - S 7100 A - 68 - St 110

1. Erhält der Gesellschafter-Geschäftsführer das Fahrzeug in seiner Eigenschaft als Gesellschafter überlassen, liegt kein Arbeitslohn, sondern eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vor. Umsatzsteuerrechtlich ist in diesen Fällen eine unentgeltliche Wertabgabe anzusetzen ( § 3 Abs. 9a UStG).

2. Eine vGA liegt ebenfalls vor, wenn die Gesellschaften dem Gesellschafter-Geschäftsführer das Fahrzeug in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer überlässt, jedoch keine klaren und eindeutigen Vereinbarungen getroffen worden sind, die Fahrzeugüberlassung nicht als Arbeitslohn behandelt und das Verrechnungskonto des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht belastet wurde. Die Fahrzeugüberlassung unterliegt dann ebenfalls als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer.

 

FG des Saarlandes  v. 07.01.2015 - 1 V 1407/14

Leitsatz:

1. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die vGA an einen Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund einer – im Anstellungsvertrag nicht ausdrücklich geregelten – privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs auf Ebene der Körperschaft nicht nach der 1-%-Regelung, sondern nach Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten ist, was i. d. R. zum Ansatz des gemeinen Wertes führt und damit einen angemessenen Gewinnaufschlag einbezieht.

2. Auf Gesellschafterebene hat die Bewertung der vGA nach dem für alle Überschusseinkünfte maßgeblichen § 8 EStG (und §§ 9, 9a EStG) zu erfolgen. Dabei erscheint eine Bewertung nach der 1-%-Regelung bei summarischer Prüfung ausgeschlossen, wenn das Fahrzeug ausschließlich für private Zwecke genutzt wird.

 

Gründe:

Rz.1.2.: (…) Es ist durch die Rechtsprechung des 1. Senats des BFH geklärt, dass die vGA an einen Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund einer – im Anstellungsvertrag nicht ausdrücklich geregelten – privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs auf Ebene der Körperschaft nicht nach den lohnsteuerlichen Werten des § 8 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG, sondern nach Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten ist, was in der Regel zum Ansatz des gemeinen Wertes führt und damit einen angemessenen Gewinnaufschlag einbezieht (BFH vom 22. Dezember 2010 I R 47/10 , BFH/NV 2011, 1019; vom 16. September 2009 I B 70/09, BFH/NV 2010, 247; vom 17. Juli 2008 I R 83/07, BFH/NV 2009, 327; vom 23. Januar 2008 I R 8/06, BStBl 2012 II S. 260; vom 23. Februar 2005 I R 70/04, BStBl 2005 II S. 882). Dem hat sich auch der 6. Senat des BFH angeschlossen und damit seine vorherige Rechtsprechung, die vertragswidrige private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer sei als Arbeitslohn zu qualifizieren, aufgegeben ( BFH vom 23. April 2009 VI B 118/08, BStBl 2010 II S. 234 unter II. 1). Ob auch auf Gesellschafterebene die vGA nach Fremdvergleichsgrundsätzen oder aber nach § 8 Abs. 2 S. 2 EStG zu bewerten ist, hatte der BFH bislang nicht zu entscheiden.

Rz. 2.3.: Dieser Auslegung steht auch das Urteil des FG Brandenburg vom 26. Oktober 2005 (2 K 1763/02, EFG 2006, 115) nicht entgegen. Zwar hat dieses entschieden, die vGA bemesse sich auf Gesellschafterebene nach der 1 %-Methode. In dem dortigen Entscheidungsfall wurden die dem Gesellschafter-Geschäftsführer überlassenen Fahrzeuge jedoch auch betrieblich genutzt.

 

2) Ansatz der 1% Regelung trotz Untersagung der privaten Nutzung:

BFH, Urteil v. 6.10.2011, VI R 56/10, BStBl 2012 II S. 362

Leitsatz:

1. Die Anwendung der 1 %-Regelung setzt voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat (Anschluss an Senatsurteil vom 21. April 2010 VI R 46/08, BFHE 229, 228, BStBl 2010 II S. 848). Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen.

2. Allein die Gestattung der Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte begründet noch keine Überlassung zur privaten Nutzung i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG.

 

Gründe:

Rz.11: Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers ( Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 6. November 2001 VI R 62/96 , BFHE 197, 142, BStBl 2002 II S. 370; vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl 2007 II S. 116; VI R 95/04, BFHE 215, 252, BStBl 2007 II S. 269; vom 4. April 2008 VI R 68/05, BFHE 221, 17, BStBl 2008 II S. 890; vom 21. April 2010 VI R 46/08, BFHE 229, 228, BStBl 2010 II S. 848). Der Vorteil ist nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der Fahrtenbuchmethode oder, wenn wie im Streitfall ein Fahrtenbuch nicht geführt wird, mit der 1 %-Regelung zu bewerten.

Rz.12: a) Allerdings begründet § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG ebenso wenig wie § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG originär einen steuerbaren Tatbestand. Die Vorschriften regeln vielmehr nur die Bewertung eines Vorteils, der dem Grunde nach feststehen muss ( BFH-Urteile vom 13. Februar 2003 X R 23/01 , BFHE 201, 499, BStBl 2003 II S. 472; in BFHE 215, 256, BStBl 2007 II S. 116, m.w.N., und vom 19. Mai 2009 VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974). Deshalb setzt die Anwendung der 1 %-Regelung voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat (BFH-Urteil in BFHE 229, 228, BStBl 2010 II S. 848). Denn der Ansatz eines lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils rechtfertigt sich nur insoweit, als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gestattet, den Dienstwagen privat zu nutzen. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen PKW hat dagegen keinen Lohncharakter. Ein Vorteil, den sich der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers selbst zuteilt, wird nicht „für” eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 2010 VI R 43/09 , BFHE 228, 354, BFH/NV 2010, 1016, und in BFHE 229, 228, BStBl 2010 II S. 848).

 

FG Niedersachsen vom 8.2.2012, Az. 3 K 406/10, EFG 2012 S. 1919:

Leitsatz

1. Zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch.

2. Zu den Voraussetzungen für den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ein zur privaten Nutzung überlassenes Kfz auch tatsächlich privat genutzt wird.

3. Die Anwendung der 1 %-Regelung setzt voraus, dass der ArbG seinem ArbN tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat. Wird im Anstellungsvertrag die private Kfz-Nutzung ausdrücklich untersagt, greift der Anscheinsbeweis nicht ein.

4. Diese Grundsätze gelten auch für einen GmbH-Geschäftsführer, dem Privatfahrten mit dem Firmenfahrzeug vertraglich untersagt sind.

 

Gründe:

(…)Von dem Ansatz eines geldwerten Vorteils ist allerdings nicht deshalb abzusehen, weil die Klägerin ein Fahrtenbuch geführt hat und in diesem Fahrtenbuch keine Privatfahrten aufgeführt sind. Denn das sog. „Fahrtenbuch” genügt nicht den Anforderungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind. Ganz abgesehen davon, dass das Fahrtenbuch, wie von den Klägern dargelegt, erst Jahre nach dem Streitjahr auf der Grundlage anderer Aufzeichnungen erstellt worden ist, enthält es eindeutig unzutreffende Eintragungen hinsichtlich Datum und Fahrzeit.

Nach der Rechtsprechung des BFH spricht aufgrund der Lebenserfahrung ein Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) dafür, dass ein zur privaten Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug auch tatsächlich privat genutzt wird (BFH Urteil vom 21. April 2010 VI R 46/08, BStBl. II 2010, 848). Die Privatnutzung ist in diesem Fall mit der 1%-Regelung anzusetzen. Allerdings kann der Anscheinsbeweis durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden; dazu bedarf es nicht des vollen Beweises des Gegenteils. Der Anscheinsbeweis ist vielmehr schon dann entkräftet oder erschüttert, wenn ein Sachverhalt substantiiert dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, das betriebliche Fahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt zu haben, genügt allerdings nicht, um die Anwendung der 1 %-Regelung auszuschließen (BFH Urteile vom 17. November 2009 VI B 11/09, BFH/NV 2010, 650; vom 27. Mai 2009 VI B 123/08, BFH/NV 2009, 1434).

Die Anwendung der 1 %-Regelung setzt indessen voraus, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hatte. Denn § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG begründet ebenso wenig wie § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG originär einen steuerbaren Tatbestand, sondern bewertet lediglich der Höhe nach einen Vorteil, der dem Grunde nach feststehen muss. Dementsprechend bezeichnet die ständige Rechtsprechung des BFH die 1 %-Regelung auch als eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung, die nicht zur Anwendung kommt, wenn eine Privatnutzung ausscheidet (BFH Urteile vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BStBl 2003 II S. 472; vom 7. November 2006 VI R 19/05, BStBl 2007 II S. 116.).

 

Verwaltungsauffassung: Nutzungsverbot muss überwacht werden

Die Finanzverwaltung vertritt in den Lohnsteuer-Richtlinien bis heute die Auffassung, dass ein schriftliches Nutzungsverbot allein nicht ausreicht, um den Anscheinsbeweis zu entkräften (vgl. "Nutzungsverbot" zu H 8.1 Abs. 9-10 LStH). So kann vom Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Privatnutzung des Firmenfahrzeugs nur abgesehen werden, wenn

  1. der Arbeitgeber die Einhaltung seines Verbots überwacht oder
  2. wegen der besonderen Umstände des Falls die verbotene Nutzung so gut wie ausgeschlossen ist (z. B. wenn der Mitarbeiter das Fahrzeug nach seiner Arbeitszeit und am Wochenende auf dem Betriebsgelände abstellt und den Schlüssel abgibt).

Diese Rechtsauslegung der Finanzämter geht deutlich über die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen hinaus.

Bei "normalen Firmenwageninhabern" muss das Finanzamt, ein schriftlich vereinbartes Nutzungsverbot in tatsächlicher Hinsicht erst einmal entkräften, etwa durch gegenteilige Sachverhaltsfeststellungen im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung.

Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten

Insbesondere bei Gesellschafter-Geschäftsführern und leitenden Angestellten erscheint hingegen ein schriftliches Nutzungsverbot allein nicht ausreichend, um den Anscheinsbeweis zu entkräften. Allerdings hat der BFH im Rahmen der eingelegten Revision zum Niedersachsen-Urteil (Az. des BFH VI R 23/12) die Möglichkeit, auch hier die Schleusentore endgültig zu öffnen.

Bis dahin ist für Arbeitgeber Vorsicht geboten - nicht zuletzt aus Haftungsgründen. Betroffene können in ihrer Steuererklärung in ähnlichen Fällen unter Berufung auf das BFH-Aktenzeichen VI R 23/12 das Ruhen ihres Einspruchsverfahrens beantragen.[1]

 

Fazit:

Nach herrschender Rechtsprechung darf bei einem Gesellschafter keine 1% Regelung für die Überlassung eines Dienstwagens angesetzt werden, wenn die private Nutzung vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen wurde (vertragliches Nutzungsverbot bestehet). Auch stellt das vom Gesellschafter geführte Fahrtenbuch kein Indiz dafür dar, dass der Gesellschafter das Verbot der Kapitalgesellschaft nicht befolgt und trotzdem private Fahrten unternommen hat.  

Bei "normalen Dienstwageninhabern" muss das Finanzamt ein schriftlich vereinbartes Nutzungsverbot in tatsächlicher Hinsicht erst einmal entkräften. D.h. der Prüfer ist verpflichtet durch eine gegenteilige Sachverhaltsfeststellung im Rahmen der Prüfung nachzuweisen, dass der Gesellschafter trotz einem Nutzungsverbot private Fahrten unternommen hat.

Wenn der Prüfer, unabhängig vom geführten und nicht anerkannten Fahrtenbuch, nachweisen kann, dass der Gesellschafter mit dem Dienstwagen entgegen dem Nutzungsverbot private Fahrten unternommen hat, hat der Prüfer das Recht die privaten Fahrten in Höhe der der 1%Regelung als vGA anzusetzen.

 

D.h. allein aus der Tatsache heraus, dass der Gesellschafter trotz einem Nutzungsverbot ein Fahrtenbuch geführt hat, begründet noch nicht das Recht eine vGA in Höhe der 1%Regelung für die ausdrücklich ausgeschlossenen private Nutzung anzusetzen.


[1] http://www.haufe.de/personal/entgelt/ein-prozent-regelung-durch-nutzungsverbot-vermeidbar_78_154506.html

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