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Nachträglicher Vorsteuerabzug PV-Anlage

Festsetzungsfrist, PV-Anlage

Fragestellung

Evangelischer Kindergaten kauft in 2013 eine Photovoltaikanlage. Macht aber 2013 keine Vorsteuer geltend (ordnungsgemäße Rechnung liegt vor). Gibt auch für 2013 und 2014 keine Steuererklärungen ab. Im Oktober 2015 kommt die Aufforderung durch das Finanzamt nunmehr die Körperschaftsteuer- und die Gewerbesteuererklärung abzugeben. Der Stromabkäufer (X-Werk) hat die monatlichen Leistungen Brutto ohne USt-Ausweis an diese Einrichtung (und Photovoltaianlagenbetreiber) bezahlt. Eine Aufforderung zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 2013 und 2014 wurde nicht durch das Finanzamt übermittelt.

Kann mit Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärungen für 2013 noch rechtssicher der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung geltend gemacht werden?

Kurzgutachten

Bei der steuerlichen Beurteilung des Betriebs einer Photovoltaikanlage sind zunächst die Unternehmereigenschaft und mit ihr auch die Möglichkeit der Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu klären. Anschließend ist die Zuordnungsmöglichkeit zum Unternehmensvermögen zu prüfen. Danach richtet sich, ob und inwieweit der Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs-/Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen möglich ist. Da die Photovoltaikanlage in der Regel vollständig dem Unternehmensvermögen zugeordnet und damit der volle Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wird, ist für den privat verbrauchten Strom gem. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG eine unentgeltliche Wertabgabe anzusetzen. Bemessungsgrundlage hierfür ist grds. der fiktive Einkaufspreis im Zeitpunkt des Umsatzes.[1]

 

Wird der erzeugte Strom ganz oder teilweise, regelmäßig und nicht nur gelegentlich in das allgemeine Stromnetz eingespeist, liegt auch bei sonst nicht unternehmerisch tätigen Personen eine nachhaltige Tätigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 UStG vor (Abschn. 2.5 Abs. 1 UStAE). Wird regelmäßig Strom eingespeist, kommt es für die Unternehmereigenschaft nicht auf die Höhe der erzielten Umsätze an (BFH-Urteil vom 18.12.2008, V R 80/07, BStBl 2011 II, 292).

 

Die entgeltliche Lieferung von Strom an den Netzbetreiber ist ein steuerpflichtiger Umsatz, der dem Regelsteuersatz unterliegt. Die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist ein Nettobetrag.[2]

Die Netzbetreiber rechnen über Gutschriften mit den Stromzulieferern ab, eine Rechnungsstellung durch den Anlagenbetreiber erfolgt nicht. Die Gutschriften sind bei ihnen steuerbar und steuerpflichtig. Die Besteuerung erfolgt mit dem Regelsteuersatz von 19 %.[3]

 

Wird für den gesamten erzeugten Strom eine Einspeisevergütung nach § 33 Abs. 1 oder Abs. 2 EEG a. F. gezahlt, ist die Photovoltaikanlage in vollem Umfang Unternehmensvermögen. Eine ausschließlich unternehmerische Nutzung liegt auch dann vor, wenn ein Teil des Stroms nicht an den Netzbetreiber geliefert wird, aber für andere unternehmerische Zwecke (z. B. Lieferung an den Mieter) verbraucht wird.[4]

 

Nur wenn eine Photovoltaikanlage dem Unternehmensvermögen zu mindestens 10 % zugeordnet werden kann, ist auch ein Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs-/Herstellungskosten möglich. Hierfür ist zu prüfen, in welchem Verhältnis die direkt verbrauchte Strommenge bzw. die in das öffentliche Netz eingespeiste Strommenge zur gesamten produzierten Strommenge steht. Werden daher mindestens 10 % der produzierten Strommenge in das allgemeine Stromnetz eingespeist, ist eine mindestens 10 %ige unternehmerische Nutzung der Photovoltaikanlage gegeben. Damit kann sie entweder komplett oder im Verhältnis der unternehmerischen Nutzung zur Gesamtproduktion dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden. Wird die Anlage zu 100 % dem Unternehmensvermögen zugeordnet, kann die volle Vorsteuer abgezogen werden.[5]

 

Der Vorsteuerabzug setzt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Leistung für das Unternehmen voraus. Mit der Einspeisung des erzeugten Stroms wird derjenige Unternehmer, der den erzeugten Strom entgeltlich liefert; dies ist in der Regel der Vertragspartner des Netzbetreibers. Die Anlage wird an denjenigen geliefert, der schuldrechtlicher Vertragspartner des Lieferanten ist (Abschn. 15.2 Abs. 16 UStAE). Ein voller Vorsteuerabzug ist daher nur möglich, wenn der Käufer der Anlage entgeltlich Strom liefert. Wird die Anlage an eine andere Person geliefert, ist ein Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht zulässig.

Wird der Strom nicht an den Netzbetreiber geliefert, sondern unmittelbar für steuerfreie Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen (z. B. Verwendung in der eigenen Arztpraxis oder für steuerfreie Vermietungsumsätze), ist insoweit der Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Verwendet der Anlagenbetreiber den erzeugten Strom unmittelbar für seinen der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, ist insoweit ein Vorsteuerabzug nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen. Wird der Strom nur teilweise für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist die Vorsteuer aufzuteilen (§ 15 Abs. 4 UStG). Aufteilungsmaßstab ist das Verhältnis der unterschiedlich verwendeten Strommengen (§ 15 Abs. 4 Satz 3 UStG).[6]

 

Fazit:

Der Kindergarten betreibt als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch den Betrieb der PV-Anlage einen Betrieb gewerblicher Art (BgA), welcher ein Unternehmer gem. § 2 UStG ist.

 

Lt. Sachverhalt wird die Photovoltaikanlage zu 100% dazu verwendet, den eingespeisten Strom an einen Netzbetreiber abzugeben. Insofern wurde die PV-Anlage zu 100% dem Unternehmensvermögen zugeordnet.

 

Mit dem eingespeisten Strom werden umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausgeführt. Nach herrschender Rechtsprechung wird die Einspeisevergütung von dem Netzbetreiber netto und nicht brutto überwiesen. Der Anlagenbetreiber erhhät vom Netzbetreiber eine Einspeisevergütung.

Insofern stellen die Einspeisevergütungen die Bemessungsgrundlage für den steuerpflichtigen Umsatz dar.

 

Da der Betrieb gewerblicher Art von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen die PV-Anlage gekauft, zu 100% seinem Unternehmensvermögen zugeordnet hat und damit auch zu 100% umsatzsteuerpflichtige Umsätze tätigt, liegen alle Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vor.

Wenn der Betrieb gewerblicher Art nicht die Kleinunternehmerregelung gem. § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch nehmen möchte, hat der BgA aus der Einkaufsrechnung der PV-Anlage zu 100% einen Vorsteuerabzug.

 

Zudem kommt, dass gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO die Festsetzungsfrist bislang noch nicht begonnen und auch noch nicht abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, indem die Steuererklärung oder die Steueranmeldung eingereicht worden ist. Gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 AO spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

 

Insofern kann im Kalenderjahr 2015 noch eine Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahre 2013 eingereicht werden, indem zum einen die erhaltenen Einspeisevergütungen mit 19% versteuert und zum anderen die Vorsteuer aus der Eingangsrechnung der PV-Anlage geltend gemacht werden.

 

Der Vorsteuerabzug kann mit der Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärung 2013 noch rechtssicher geltend gemacht werden.


[1] NWB Nr. 12 vom 16.03.2015 Seite 856

[2] OFD Karlsruhe v. 19.02.2015 - S 7104

[3] NWB Nr. 12 vom 16.03.2015 Seite 856

[4] OFD Karlsruhe v. 19.02.2015 - S 7104

[5] NWB Nr. 12 vom 16.03.2015 Seite 856

[6] OFD Karlsruhe v. 19.02.2015 - S 7104

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